KONDE - Kompetenznetzwerk Digitale Edition

Weißbuch

Dramennetzwerkanalyse TEI Download PDF Download

Geiger, Bernhard C.; geiger@ieee.org

In der Dramennetzwerkanalyse werden Methoden der Netzwerkanalyse auf Dramennetzwerke angewendet. Konkret werden gewisse Kenngrößen des Netzwerks als ganzes bzw. einzelner Knoten (Figuren) und Kanten (Beziehungen zwischen Figuren) berechnet, gegenübergestellt und zur Beantwortung literaturwissenschaftlicher Fragestellungen operationalisiert.

Wichtige Kenngrößen (siehe u. a. Thurner et al. 2018, Kap. 4) eines Dramennetzwerks sind, neben der Anzahl seiner Figuren und Beziehungen, z. B. die Dichte, die das Verhältnis zwischen der Anzahl der Figuren und der Anzahl der Beziehungen charakterisiert, und der Durchmesser, also die Distanz zwischen den am weitesten voneinander entfernten Figuren. Für einzelne Figuren kann man z. B. den Knotengrad, also die Anzahl der mit ihr in Beziehung stehenden Figuren, den Clusteringkoeffizienten, welcher beschreibt, wie stark die mit der jeweiligen Figur in Beziehung stehenden Figuren ihrerseits untereinander in Beziehung stehen, sowie diverse Zentralitätsmaße – z. B. beschreibt die betweenness centrality, wie stark eine Figur als Mittler zwischen anderen Figuren auftritt – berechnen. Diese figurenspezifischen Kenngrößen kann man erneut mitteln bzw. deren Verteilung analysieren. So haben z. B. small worlds einen hohen mittleren Clusteringkoeffizienten und eine kurze mittlere Distanz zwischen zwei Figuren (Thurner et al. 2018, Kap. 4.5.3; Trilcke et al. 2016). Schließlich kann man in Dramennetzwerken Gruppen stark miteinander interagierender Figuren detektieren; das Stichwort dazu lautet community detection (Geiger/Amjad 2017).

In der wissenschaftlichen Analyse werden die automatisiert gewonnenen Charakteristika (Kenngrößen, Community-Struktur bzw. Vorliegen der small world-Eigenschaft) innerhalb eines größeren Korpus miteinander (Trilcke et al. 2016, Fig. 1) oder mit den Charakteristika realer sozialer Netzwerke verglichen bzw. vor einem literaturwissenschaftlichen Hintergrund interpretiert (Moretti 2011). Hinsichtlich der Beantwortung literaturwissenschaftlicher Fragestellungen bzw. des explorativen Werts der Analyse von aus Dramen und Romanen gewonnen Daten sei z. B. auf Sec. IV in Trilcke, 2013 verwiesen. Exemplarisch kann angeführt werden, dass die Dramennetzwerkanalyse durchaus automatisiert zwischen der offenen und geschlossenen Dramenform unterscheiden kann; so haben die ‘einfachen Netzwerke’ (Dramennetzwerk) geschlossener Dramen eine höhere Dichte und eine niedrigere Standardabweichung über die Knotengrade ihrer Figuren (Trilcke 2013, Sec. III). Ferner wurde in Fischer et al., 2018 gezeigt, dass die aus dem Netzwerk berechnete relative Zentralität einer Figur mit ihrer relativen Bühnen(sprech)präsenz korreliert.

Literatur:

  • Thurner, Stefan; Hanel, Rudolf; Klimek, Peter. 2018. Introduction to the Theory of Complex Systems. Oxford, New York.
  • Moretti, Franco. 2011. Network Theory, Plot Analysis. In: Literary Lab Pamphlet 2.
  • Trilcke, Peer. 2013. Social Network Analysis (SNA) als Methode einer extempirischen Literaturwissenschaft. In: Empirie in der Literaturwissenschaft. Hrsg. von Philip Ajouri, Katja Mellmann und Christoph Rauen. Münster, S. 201–247.
  • Fischer, Frank; Trilcke, Peer; Kittel, Christopher; Milling, Carsten; Skorinkin, Daniil. 2018. To Catch a Protagonist: Quantitative Dominance Relations in German-Language Drama (1730–1930). In: Digital Humanities. Mexico City.
  • Trilcke, Peer; Fischer, Frank; Göbel, Mathias; Kampkaspar, Dario. 2016. Theatre Plays as 'Small Worlds'? Network Data on the History and Typology of German Drama, 1730–1930. In: Digital Humanities. Krakow, S. 385–387.
  • Geiger, Bernhard C.; Amjad, Rana Ali. 2017. Community Detection in Shakespeare’s Plays. Classic and Information-Theoretic Approaches. Potsdam.

Zitiervorschlag:

Geiger, Bernhard C. 2021. Dramennetzwerkanalyse. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.74. PID: o:konde.74