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Weißbuch

Urheberrecht TEI Download PDF Download

Scholger, Walter; walter.scholger@uni-graz.at

Forschende stehen stets in einem Spannungsverhältnis zwischen ihrem eigenen wissenschaftlichen Schaffen und jenem fremden Schaffen, das für die Bearbeitung und Erschließung im Forschungsprozess rezipiert und reflektiert werden muss. Diese Doppelrolle als Autorinnen und Autoren sowie Benutzerinnen und Benutzer und der gerechte Ausgleich zwischen den Interessen beider Parteien ist Aufgabe des Urheberrechts.

Spricht man von ‘Urheberrecht’, so gilt es zu Beginn besonderes Augenmerk auf einen exakten Sprachgebrauch zu legen. Häufig wird sowohl in den Medien als auch in alltäglichen Gesprächen über dieses Thema fälschlich von ‘Copyright’ gesprochen: Dieser Begriff ist jedoch dem anglo-amerikanischen Rechtsraum entlehnt, dem eine gänzlich andere Rechtssystematik zugrunde liegt. Im zentraleuropäischen Raum liegt das Hauptaugenmerk auf dem Schutz der Rechte der Urheberinnen und Urheber – daher ‘Urheber-Recht’ anstelle von ‘Kopier-Recht’.

Am Anfang des Urheberrechts steht die Definition des Werkbegriffs, da nur Werke vom Urheberrecht erfasst werden bzw. nur an Werken überhaupt ein Urheberrecht entstehen kann. Werke sind demnach “eigentümliche geistige Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst.” (Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz), UrhG § 1 (1))

  • ‘Eigentümlich’ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Werk eine gewisse Individualität aufweisen muss, also eine bestimmte Schöpfungshöhe gegeben ist, die eine Zuordnung zu einer bestimmten Urheberin bzw. einem bestimmten Urheber zulässt.
  • ‘Geistig’ zeigt an, dass es sich nicht um eine zufällige, unbeabsichtigte Kreation handeln darf, der Schaffensprozess muss willentlich, bewusst stattfinden.
  • Eine ‘Schöpfung’ ist wiederum erst gegeben, wenn die individuelle Idee auch in einer greifbaren Form veröffentlicht wurde: Eine Idee allein, ungeachtet ihrer Eigentümlichkeit, ist nicht vom Urheberrecht erfasst.

Die Urheberschaft ist stets an eine natürliche Person gebunden, geht nach dem Tod der Urheberin bzw. des Urhebers auf die jeweiligen Erben über und erlischt schließlich 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin bzw. des Urhebers. Nach Ablauf dieser Schutzfrist werden Werke gemeinfrei und sind nicht mehr urheberrechtlich geschützt.

Ein in der wissenschaftlichen Publikationspraxis sehr häufig auftretender Fall ist die kollaborative Autorschaft: Wird ein Werk von mehreren Personen kollaborativ geschaffen, so spricht man von Miturheberinnen und Miturhebern, die das Urheberrecht gemeinschaftlich wahrnehmen.

Die Rechte der Urheberinnen und Urheber gliedern sich in zwei unterschiedliche Bereiche: Die Urheberpersönlichkeitsrechte, die dem Schutz der geistigen Interessen dienen und unübertragbar sind:

  • Der Schutz der Urheberschaft garantiert, dass nur die tatsächliche Urheberin bzw. der tatsächliche Urheber als Schöpferin bzw. Schöpfer eines Werkes gelten darf und kann.
  • Die Urheberin bzw. der Urheber allein entscheidet über die Urheberbezeichnung, die das eigene Werk trägt.
  • Der Werkschutz besagt, dass ein Werk nicht gegen den Willen der Urheberin oder des Urhebers verfremdet, entstellt oder verändert werden darf.

Die Verwertungsrechte dagegen können im Rahmen von Verträgen – z. B. mit individuellen Lizenznehmenden, mit Arbeitgebern und Ausbildungsstätten, Verwertungsgesellschaften oder Verlagen – weitergegeben oder sogar gänzlich abgetreten werden:

  • Das Vervielfältigungsrecht (UrhG § 15) regelt die Anfertigung von Kopien eines Werkes (oder Teilen eines Werkes), unabhängig von der Methode und dem Träger der Vervielfältigung.
  • Das Verbreitungsrecht (UrhG § 16) umfasst die Verbreitung analoger Werkstücke.
  • Das Senderecht (UrhG § 17) betrifft die Sendung eines Werkes mittels Rundfunk.
  • Das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (UrhG § 18) regelt die öffentliche Wiedergabe eines Werkes.
  • Das Zurverfügungstellungsrecht (UrhG § 18a) regelt die drahtgebundene oder drahtlose Veröffentlichung eines Werks im Internet.

Diese Verwertungsrechte an Werken können in Form einer Werknutzungsbewilligung (z. B. im Rahmen einer Lizenzierung (vgl. auch Lizenzmodelle) oder einem exklusiven Werknutzungsrecht (z. B. im Rahmen von Verlags- oder Dienstverträgen) an Dritte abgegeben werden.

Das Urheberrecht definiert jedoch eine Reihe von Freien Werknutzungen, die eine Nachnutzung urheberrechtlich geschützter Werke für Wissenschaft und Lehre gestatten.

In diesem Zusammenhang wird häufig darüber diskutiert, inwieweit eine Digitale Edition eine eigentümliche geistige Schöpfung darstellt, wenn es sich bei ihr lediglich um die Überführung von gedruckten Quellen in das digitale Medium handelt. Grundsätzlich wird die für den Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe sehr niedrig angesetzt, sodass z. B. eine kritische Edition aufgrund der erforderlichen eigenständigen wissenschaftlichen Leistung der Editorin / des Editors gemeinhin als Werk angesehen wird. Die Zurverfügungstellung einer reinen Transkription wird hingegen nur als Vervielfältigung eines bestehenden Werkes gelten können.

Literatur:

  • Burgstaller, Peter. 2017. Urheberrecht für Lehrende: Ein Leitfaden für die Praxis mit 80 Fragen und Antworten. Aktuelles Urheberrecht. Wien.
  • Klimpel, Paul; Weitzmann, John H. 2014. Forschen in der digitalen Welt. Juristische Handreichung für die Geisteswissenschaften. Göttingen.
  • Scholger, Walter. 2020. Urheberrecht und offene Lizenzen im wissenschaftlichen Publikationsprozess. In: Publikationsberatung an Universitäten.Ein Praxisleitfaden zum Aufbau publikationsunterstützender Services. Hrsg. von Christian Kaier, Karin Lackner und Lisa Schilhan. Bielefeld, S. 123–147.
  • Walter, Michael M. 2015. UrhG mit den Novellen 2009-2015, Internationales Privatrecht, Urheberrechtliche EU-Richtlinien: Mit der neueren Rechtsprechung der österreichischen Gerichte und des Gerichtshofs der Europäischen Union. Urheber- und Verwertungsgesellschaftenrecht‚ 15: Textausgabe mit Kurzkommentaren 1. Wien.
  • Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz). URL: https://www.gesetze-im-internet.de/urhg/BJNR012730965.html

Zitiervorschlag:

Scholger, Walter. 2021. Urheberrecht. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.44. PID: o:konde.44