KONDE - Kompetenznetzwerk Digitale Edition

Weißbuch

Briefedition TEI Download PDF Download

Lobis, Ulrich; ulrich.lobis@uibk.ac.at / Wang-Kathrein, Joseph; joseph.wang@uibk.ac.at

Ein Brief ist ein Schriftstück, das von einer Person (Absenderin/Absender oder Schreiberin/Schreiber) an eine andere Person (Empfängerin/Empfänger) gesendet wird. Eine Briefedition ist eine Edition von Briefen. Prima facie unterscheidet diese sich von anderen Arten von Lebensdokumenten-Editionen nicht wesentlich. Jedoch gibt, es bedingt durch die Eigenheit des Materials (Briefe), einige Besonderheiten zu berücksichtigen.

Zunächst gibt es unterschiedliche Arten und Weisen, Briefe für die Edition auszuwählen. Meistens steht eine Person oder eine Personengruppe im Fokus, die Briefe verfasst oder empfangen hat. Es gibt aber auch Zugänge, die einen bestimmten Zeitraum oder eine geographische Region in den Mittelpunkt stellen. Gibt es eine Hauptperson in einer Edition und bietet diese auch Briefe an, die weder von der Hauptperson verfasst, noch an sie gerichtet sind, so nennt man diese Briefe ‘Drittbriefe’. Viele Briefe haben auch Beilagen – ob diese in die Edition aufgenommen werden, hängt v. a. vom Ziel der Edition ab. Meistens wird auf solche Beilagen nur in Anmerkungen hingewiesen.

Da Briefe von einer Person geschrieben und an eine andere geschickt werden, ergibt sich daraus eine kompliziertere Materialbeschaffung. Während die Briefe an eine Person meistens in einem Archiv liegen, können die Briefe von ihr überall auf der Welt verstreut sein. Gerade von Zeitgenossen oder Personen, deren Ableben noch nicht lange zurückliegt, können Briefe, die als verschollen galten oder unbekannt ware, beispielsweise in Auktionskatalogen oder Antiquariaten auftauchen. Das macht die Materialbeschaffung schwieriger und bringt Ungewissheit in die Planung der Edition.

Zusätzlich muss man auf Urheber- und Verwertungsrechte besonders Acht geben, da zwar dem Schreiber die Urheberrechte zugeschrieben werden, der Empfänger aber auch Rechtsinhaber eines Korrespondenzstücks sein kann. Unter gewissen Umständen erwerben sogar Transkribienten und Erstellerinnen und Ersteller von Digitalisaten eigene Urheberrechte. Somit sind mehrere Parteien in der Rechtsfrage bei einer Veröffentlichung von Briefeditionen involviert.

Aus der Eigenheit des Briefs ergibt sich auch, dass besondere Metadaten aufzunehmen sind. Die TEI-Richtlinie hat hierfür ein eigenes Element vorgesehen: <correspDesc> (TEI correspDesc). In <correspDesc> werden die Metadaten ereignisbasiert beschrieben. So wird in einem <correspAction> mit dem möglichen @type-Wert sent das Absende-Ereignis mit sendender Person, Absendeort und Absendedatum, und in einem anderen <correspAction> mit dem möglichen @type-Wert received das Empfang-Ereignis mit empfangender Person, dem Empfangsdatum und dem Empfangsort festgehalten. Zusätzlich können noch Vorgänger- und Folgebriefe in <correspContext> offengelegt werden.

Oft kann ein Brief nicht eindeutig datiert werden. Werden die Briefe chronologisch gereiht, so werden diese meistens an jenem Punkt eingereiht, der den spätest möglichen Punkt der Datierung darstellt. Um die Auffindbarkeit von Briefen zu steigern, ist es zudem ratsam, Normdateien für die Metadaten zu verwenden, sodass die maschinlesbaren Metadaten nicht nur die Namen, sondern gleich die Normdaten der beteiligten Personen liefern.

Von einem Brief kann es unterschiedliche Varianten geben. Neben den Vorstufen (z. B. Vorlagen, Skizzen und Entwürfe) kann es auch Kopien geben, die der Schreiber bei sich behält oder gar an andere Personen schickt. Unter Umständen können diese als eigene Briefe in die Edition aufgenommen werden. Außerdem kann ein physisches Korrespondenzstück unter Umständen mehrere Briefe in der Edition rechtfertigen, wenn beispielsweise eine Person einen Brief erhält und diesen später mit Kommentaren an eine andere Person weiterschickt.

Ein Vorteil digitalen Edierens ist, dass Daten aus unterschiedlichen Quellen leichter zusammengetragen werden können. Bei Briefeditionen sieht man das v. a. am Projekt correspSearch. Editorinnen und Editoren von verschiedenen Briefeditionen können ihre Metadaten dem Aggregationsdienst correspSearch zur Verfügung stellen, sodass Nutzerinnen und Nutzer eines Projekts gezielt nach Briefen suchen können, die von einer Person stammen bzw. an sie gerichtet sind. So können beispielsweise Gegenbriefe in unterschiedlichen Editionen viel leichter aufgefunden werden.

Literatur:

  • Dumont, Stefan. 2016. correspSearch – Connecting Scholarly Editions of Letters. In: Journal of the Text Encoding Initiative.
  • Vanhoutte, Edward; Branden, Ron Van den. 2009. Describing, transcribing, encoding, and editing modern correspondence material: a textbase approach. In: Literary and Linguistic Computing 24, S. 77–98.
  • TEI Consortium. TEI element correspDesc. URL: https://tei-c.org/release/doc/tei-p5-doc/de/html/ref-correspDesc.html
  • Dumont, Stefan. 2018. Interfaces in Digital Scholarly Editions of Letters. In: Digital Scholarly Editions as Interfaces 12. Hrsg. von Roman Bleier, Martina Bürgermeister, Herlmut W. Klug, Frederike Neuber und Gerlinde Schneider. Norderstedt, S. 109–131.
  • Dumont, Stefan. 2020. Kommentieren in digitalen Brief- und Tagebuch-Editionen. In: Annotieren, Kommentieren, Erläutern: Aspekte des Medienwandels. Berlin, Boston, S. 175–193.

Zitiervorschlag:

Lobis, Ulrich; Wang-Kathrein, Joseph. 2021. Briefedition. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.39. PID: o:konde.39