Bosse, Anke; anke.bosse@aau.at / Krieg-Holz, Ulrike; ulrike.krieg-holz@aau.at
Digitales Edieren steht an der Universität Klagenfurt in einem breiten, Disziplinen übergreifenden Kontext. Dass die Digitalisierung weite Teile menschlicher Lebensbereiche durchdringt und umfassende Veränderungsprozesse mit sich bringt, hat die Universität Klagenfurt veranlasst, 2017 den Forschungsbereich Humans in the Digital Age (HDA) als langfristigen interdisziplinären Initiativschwerpunkt zu implementieren. HDA nimmt dabei eine auf den Menschen und seine Verhaltensweisen gerichtete Perspektive ein, in der technische und nicht-technische Aspekte miteinander verschränkt sind. In die zentrale sozial- und kulturwissenschaftliche Sicht auf die Digitalisierung und ihre Folgen sind technik- bzw. ingenieurwissenschaftliche Perspektiven eingebettet. Als Kernbereich wird seit 2019 das Digital Age Research Center (D!ARC) aufgebaut, an dem fakultätsübergreifende Forschungsvorhaben zu Aspekten der Digitalisierung angesiedelt werden. Einen besonderen Bezug zum Digitalen Edieren hat dabei etwa das Projekt Digitale Biographien in Österreich: Synthese und Vernetzung individueller Lebensläufe aus dem WWW, bei dem es um die Frage geht, welche ‘digitalen Spuren’ österreichische Bürger (gewollt oder ungewollt) im WWW hinterlassen und wie sich diese Spuren zu einer individuellen digitalen Biographie zusammensetzen lassen. Methodisch werden hierfür informatische und geisteswissenschaftliche Problemlösungsverfahren eng verzahnt.
Gleichzeitig zu Humans in the Digital Age und damit eng verbunden bündelt das HSM-Projekt Kompetenznetzwerk Digitale Edition (2017-2020) laufende und neu entstehende Projekte in der Digitalen Edition; es hat vor allem die Kooperationen mit Partnern außerhalb der Universität Klagenfurt verstärkt.
Digitales Edieren hat an der Universität Klagenfurt bereits eine längere Tradition, denn es startete 2004 mit der Einrichtung der Arbeitsstelle für Digitale Edition am Robert-Musil-Institut für Literaturforschung / Kärntner Literaturarchiv.Die hier entstandene Klagenfurter Musil-Ausgabe auf DVD wird seit 2015 abgelöst durch die Musil-Hybridausgabe, die aus einer Leseausgabe in Buchform und der Open-Access-Internetplattform MUSIL ONLINE besteht und sämtliche Werke und Vorabdrucke sowie den überaus umfänglichen Nachlass Musils anbietet, TEI-codiert. MUSIL ONLINE wird in enger Kooperation mit der Österreichischen Nationalbibliothek kontinuierlich zu einer Musil-Edition ausgebaut, die auf der Editionsplattform der ÖNB implementiert wird. In sie fließen die Ergebnisse des FWF-Projekts MUSIL ONLINE - interdiskursiver Kommenar (2018-2022) ein; es entwickelt innovative digitale Lösungen für Online-Kommentare, die die Interdiskursivität sowohl der Schriften Musils als auch der entsprechenden Sekundärliteratur berücksichtigt.
Am Musil-Institut/Kärntner Literaturarchiv wird die Werner-Kofler-Hybridausgabe mit dem FWF-Projekt Werner Kofler intermedial (2018-2022), in enger Kooperation mit dem Zentrum für Informationsmodellierung der Universität Graz, weitergeführt.
In Kooperation mit der Europäischen Genossenschaft Transkribus läuft am Musil-Institut/Kärntner Literaturarchiv die Digitalisierung und halbautomatische Transkription der 100 Notizbücher Josef Winklers aus dessen umfänglichem Bestand am Kärntner Literaturarchiv (1977-2013).
Am Institut für Germanistik werden folgende Projekte durchgeführt: Das größte deutschsprachige E-Mail-Korpus CodE Alltag wurde grundlegend überarbeitet und annotiert; die Pseudonymisierung individuenidentifizierender Merkmale und deren Evaluation erlauben die unrestringierte Weitergabe der Korpusdaten. Das Korpus wird derzeit u. a. für stilometrische Untersuchungen genutzt. Mit Hilfe von bestehenden Wörterbuchangaben und Word Embeddings entsteht zunächst ein deutschsprachiges Lexikon zur Vulgärsprache (VulGer), das zur digitalen Aufbereitung und Analyse von Textkorpora genutzt werden kann, etwa als Ressource für Stilberechnungen. In der Virtuellen Benediktiner Bibliothek Millstatt werden die an elf Orten in Europa verstreuten Handschriften virtuell wieder zusammengeführt und der weiteren Erforschung zugänglich gemacht.Die Internetplattform litkult1920er, die auf Basis zweier FWF-Projekte 2008-2018 erstellt wurde, bietet ein Epochenprofil zu den transdisziplinären Konstellationen in der österreichischen Literatur, Kunst und Kultur der Zwischenkriegszeit.
Am Institut für Slawistik läuft die Longitudinalstudie Zweisprachiger Spracherwerb anhand schriftlicher Texte von Schülerinnen und Schülern der Hermagoras Volksschule; es erfolgen Korpuserstellung, Digitalisierung, Auszeichnung, Auswertung zur Erforschung der Sprach- und Textkompetenz im dualen deutsch-slowenischen Immersionsunterricht sowie die Digitalisierung von schriftlichen Sprachbeherrschungsprüfungen des Slowenischstudiums. Das zweijährige Projekt Unknown and Little-Known Manuscripts and Printed Texts of Older Slovenian Literature in the Wider Slovenian, Regional Austrian Carinthian, and Austrian Context ist 2020 abgeschlossen.
Die Digitale Edition ist eine Teildisziplin der Digital Humanities. Als Vertragspartnerin im Forschungsinfrastrukturkonsortium CLARIAH-AT verfolgt die Universität Klagenfurt das Ziel, digitale Infrastrukturen auf- und auszubauen und insbesondere die Digital Humanities zu fördern.
Im Rahmen des HRSM-Projekts E-infrastructures Austria schließlich erstellt die Universitätsbibliothek das Repositorium Netlibrary, in das laufend Datensätze und Volltexte implementiert, langzeitarchiviert und mit URN versehen werden.