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Weißbuch

Tagebuchedition TEI Download PDF Download

Galka, Selina; selina.galka@uni-graz.at

Grundsätzlich werden Tagebuchtexte wie Werktexte nach gängiger Editionspraxis erschlossen. Eine Besonderheit der Tagebuchedition liegt darin, dass die Texte von der Autorin bzw. vom Autor verfasst wurden, ohne dass dahinter ursprünglich eine Veröffentlichungsintention stand. So werden in der Editionswissenschaft Tagebücher und Briefe häufig ähnlich behandelt, da die Edition dieser Texte genau genommen gegen die Intention ihrer Urheberinnen und Urheber erfolgt (Briefedition). (Hurlebusch 1995, S. 26) Da es sich um private Aufzeichnungen handelt, sollten sich Editorinnen und Editoren hauptsächlich vermittelnd zwischen Autorin bzw. Autor und Leserin bzw. Leser platzieren. (Hurlebusch 1995, S. 30) Es kann nötig sein, gewisse Textstellen zu anonymisieren oder zu streichen. Weiters kann einschränkend auf die editorische Erkenntnis wirken, wenn unbekannte Personen aus dem nahen Lebensbereich der Autorin oder des Autors genannt werden, über die in Nachschlagewerken oder Normdateien keine Informationen gefunden werden können. (Hurlebusch 1995, S. 31)

Durch die Adressierung der Texte – im Fall der Tagebücher an niemanden bzw. im Fall von Briefen an einen sehr eingeschränkten Personenkreis – erschließt sich der Inhalt für die gemeine Leserschaft oft nur geringfügig. (Dumont 2020, S. 175) Die Aufgabe einer Tagebuchedition ist es nun, den Text möglichst rezipierbar und verständlich zur Verfügung zu stellen; aber auch, den ursprünglichen Sinnzusammenhang für jede und jeden zu erschließen und zu erläutern. (Hurlebusch 1995, S. 29) Dies betrifft beispielsweise Andeutungen, die für die Autorin oder den Autor zu seiner Zeit völlig klar waren, heute aber nur mehr schwer nachzuvollziehen sind, oder genannte Personen, Werke oder Ereignisse aus der persönlichen Welt des Schreibenden. (Dumont 2020, S. 175f.) So sind Kommentare, Register und einführende Texte oft wesentliche Bestandteile einer Tagebuchedition.

Bei Digitalen Editionen sind Register nun nicht mehr im Platz begrenzt, sondern können umfangreichere Informationen enthalten. (Dumont 2020, S. 184) Außerdem werden die einzelnen Einträge mit Normdaten angereichert, wie z. B. in Bezug auf Personen Normdaten aus der GND, wo die eindeutige Identifikationsnummer eine “projektübergreifende Identifizierung und Vernetzung” (Dumont 2020, S. 185) ermöglicht. Für Normdaten zur geographischen Verortung werden meist GeoNames oder der Getty Thesaurus of Geographic Names verwendet. Gegenstand der Forschung ist momentan auch, wie sich der Kommentar in digitalen Tagebucheditionen manifestieren kann (Dumont 2020). Zur Annotation der Texte wird in der Regel TEI verwendet.

Analog zum Korrespondenzdatennetzwerk correspSearch wurde bei der DHd 2020 die Idee präsentiert, ein Ereignisdatennetzwerk eventSearch, aufzubauen, welches standardisiert modellierte Ereignisdaten zusammenführt und sie datumsbezogen zur Verfügung stellt. (DHd 2020)

Literatur:

  • Berbig - Hettche, Roland - Walter. 1995. Die Tagebücher Paul Heyses und Julius Rodenbergs. Möglichkeiten ihrer Erschließung und Dokumentation. In: Edition von autobiographischen Schriften und Zeugnissen zur Biographie. Beihefte zu Editio Bd. 7, S. 105–118.
  • Dumont, Stefan. 2020. Kommentieren in digitalen Brief- und Tagebuch-Editionen. In: Annotieren, Kommentieren, Erläutern: Aspekte des Medienwandels. Berlin, Boston, S. 175–193.
  • Fritze, Christiane; Klug, Helmut W; Kurz, Stephan; Steindl, Christoph. 2020. Events: Modellierungen und Schnittstellen. In: Abstracts DHd 2020, S. 62–65.
  • Hurlebusch, Klaus. 1995. Divergenzen des Schreibens vom Lesen. Besonderheiten der Tagebuch- und Briefedition. In: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 9, S. 18–36.
  • Meise, Helga. 1995. Höfische Tagebücher in der frühen Neuzeit. Überlegungen zu ihrer Edition und Kommentierung. In: Edition von autobiographischen Schriften und Zeugnissen zur Biographie. Beihefte zu Editio Bd. 7, S. 27–37.
  • Plachta, Bodo. 1995. "Je trouve que je réfléchis assez …". Erwartungen an eine Edition der Tagebuchaufzeichnungen Franz von Fürstenbergs. In: Edition von autobiographischen Schriften und Zeugnissen zur Biographie. Beihefte zu Editio Bd. 7, S. 48–61.
  • Somavilla, Ilse. 2000. Ludwig Wittgenstein: Tagebücher. In: Von der ersten zur letzten Hand. Theorie und Praxis der literarischen Edition. Hg. von Bernhard Fetz, S. 98–99.

Zitiervorschlag:

Galka, Selina. 2021. Tagebuchedition. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.175. PID: o:konde.175