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Weißbuch

Quellenedition TEI Download PDF Download

Vogeler, Georg; georg.vogeler@uni-graz.at / Wallnig, Thomas; thomas.wallnig@univie.ac.at

Als Quellenedition bezeichnet man alle Editionen, deren Ziel es ist, Texte zu veröffentlichen, aus denen historische Informationen gezogen werden können. Als Quellen können alle aus der Alltagspraxis stammenden Dokumente (‘Überreste’ (Droysen 1937)) und alle erzählend über die Vergangenheit informierenden Texte verstanden werden. Das Editionsinteresse liegt also nicht ausschließlich in der Erzeugung eines philologisch zuverlässigen Textes, sondern ebensosehr darin, Zeugnisse von historischen Prozessen der politisch und wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dafür ist der wissenschaftliche Kommentar (vgl. z. B. die Publikation von Hitlers Mein Kampf durch das Institut für Zeitgeschichte, München (Hitler et al. 2016)) und die Erschließung der Texte durch Register und Regesten von besonderem Interesse.

Diese Editionstradition ist in der Mediävistik eng mit den Editionen der Monumenta Germaniae Historica, für die Neuere Geschichte und Zeitgeschichte mit der systematischen Edition der Akten der höchsten politischen Entscheidungsträger (Akten der Reichskanzlei, Ministerratsprotokolle, Reichtstagsakten) und der Publikation von außenpolitischen Dokumenten als Reaktion auf die politischen Katastrophen der Weltkriege des 20. Jahrhunderts verbunden. Nationalstaatlich konzipierte Quelleneditionen greifen frühneuzeitliche Traditionen auf, in denen Streit um Staatsrecht und Kirchengeschichte die Publikation von historischen Quellen motivierte. Eng verwandt mit den Quelleneditionen sind Nachlasspublikationen von Personen des öffentlichen Lebens, wie Politikerinnen und Politikern, aber auch Künstlerinnen und Künstlern sowie Wissenschafterinnen und Wissenschaftern.

Aufgrund unterschiedlicher Traditionen disziplinärer und institutioneller Kontexte haben Quelleneditionen keine gemeinsamen Verfahren in der Textbehandlung entwickelt. So gibt es z. B. eine Reihe nationaler oder sprachbezogener Empfehlungen für Quelleneditionen, wie z. B. Ihnatowicz (1962), Joly (2003), AHF (2007), Heinemeyer (1978), Normas de transcripción y edición (1944), Norme per la stampa delle Fonti (1906), Smith (2001), obwohl die Commission Internationale de Diplomatique noch 1984 den Versuch internationaler Empfehlungen gemacht hat (Diplomatica et sigillographica 1984). Die Logik der Quelleneditionen reicht von besonders dokumentnaher Edition (documentary editing) bis zu datenbankartiger Dokumentation der Quellen in Regesten (Regestenedition (Steinecke 1982, Sprengel et al. 2013)), auch wenn diese Form aus Sicht von Historikerinnen und Historikern klar von der Volltextwiedergabe in einer Edition zu unterscheiden ist.

Quelleneditionen grenzen sich von anderen Editionsformen meist dadurch ab, dass sie es den Benutzerinnen und Benutzern erleichtern, die historischen Informationen in den Dokumenten ausfindig zu machen, indem sie Kopfregesten, umfangreiche Register und insbesondere einen historischen Kommentar liefern. Mit digitalen Mitteln können diese Editionen insbesondere mit Hilfe von Methoden des Semantic Web als “assertive editions” (Vogeler 2019) realisiert werden.

Mehrere Institutionen und editorische Unternehmen weisen in Österreich eine längere Tradition auf. Das heute an der Universität Wien angesiedelte Institut für Österreichische Geschichtsforschung ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Ausbildung von Editorinnen und Editoren historischer Quellen befasst. Dort werden auch bis heute editorische Langzeitunternehmen (mit-)betreut und in mehreren Reihen publiziert, etwa in den QIÖG. Ähnliches gilt für die Österreichische Akademie der Wissenschaften, deren ‘Historische Kommission’ ebenfalls seit rund 170 Jahren mit der Herausgabe von historischen Quellen befasst ist, beispielsweise in der Reihe Fontes Rerum Austriacarum. Eine ähnliche Rolle erfüllen die Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs.

Literatur:

  • AHF. 2007. Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen: Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte. URL: https://www.heimatforschung-regensburg.de/280/1/E-Forum_AHF-Empfehlungen.pdf.
  • Commission Internationale de Diplomatiuqe. 1984. Diplomatica et sigillographica. Travaux préliminaires de la CID et de la commission internationale de sigillographie pour une normalisation internationale des éditions de document et un Vocabulaire international de la Diplomatique et de la Sigillographie. Zaragoza.
  • Droysen, Johann Gustav. 1937. Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte. München.
  • Heinemeyer, Walter (Hrsg.). 1978. Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen. Marburg, Köln.
  • Hitler, Adolf; Hartmann, Christian; Raim, Edith. 2016. Hitler, Mein Kampf: eine kritische Edition Hitler, Mein Kampf. München.
  • Ihnatowicz, Ireneusz. 1962. Projekt instrukcji wydawniczej dla źródeł historycznych XIX i początku XX wieku. In: Studia Źródłoznawcze 7.
  • Joly, Bertrand. 2003. L’édition des documents des XIXe et XXe siècles. In: Bibliothèque de l'École des chartes 161, S. 537–552.
  • 1944. Normas de transcripción y edición de textos y documentos. Madrid.
  • 1906Norme per la stampa delle Fonti per la storia d'Italia. In: Bulletino dell'Istituto storico italiano 28, S. XI-XXI.
  • Smith, Marc. 2001. Conseils pour l'éditions des document en langue italienne (XIVe-XVIIe siècle). In: BECh 159, S. 541–578.
  • Sprengel, Peter; Wack, Edith; Lörke, Tim. 2013. Gerhart Hauptmann digital. Probleme und Herausforderungen einer Briefregestenedition in 'Kalliope'. In: Im Dickicht der Texte. Editionswissenschaft als interdisziplinäre Grundlagenforschung. Hrsg. von Gesa Dane, Jörg Jungmayr und Marcus Schotte, S. 183–208.
  • Steinecke, Hartmut. 1982. Brief-Regesten. Theorie und Praxis einer neuen Editionsform. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 101, S. 199–210.
  • Vogeler, Georg. 2019. The ‘assertive edition’: On the consequences of digital methods in scholarly editing for historians. In: International Journal of Digital Humanities 1, S. 309–322.

Zitiervorschlag:

Vogeler, Georg; Wallnig, Thomas. 2021. Quellenedition. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.160. PID: o:konde.160