Copy-Text-Edition Lisa Rieger Projektleitung Helmut W. Klug Datenmodellierung Selina Galka Datenmodellierung Elisabeth Steiner Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz Austria Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz Austria GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY 4.0 2021 Graz o:konde.43 KONDE Weißbuch Projektleitung Helmut W. Klug Weißbuchartikel: Copy-Text-Edition Lisa Rieger Herausgegeben von Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner 2021 Austria KONDE Weißbuch

Im KONDE-Projekt, das aus Hochschulraumstrukturmitteln finanziert wird, beschäftigten sich sieben universitäre Partner und drei weitere Einrichtungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit theoretischen und praktischen Aspekten der Digitalen Edition. Ein Outcome des Projektes stellt das Weißbuch dar, welches über 200 Artikel zum Thema Digitale Edition umfasst. Die behandelten Themenkomplexe reichen dabei über Digitale Editionswissenschaft im Allgemeinen, Annotation und Modellierung, Interfaces, Archivierung und Metadaten bis hin zu rechtlichen Aspekten.

Deutsch
Copy-Text-Edition
Rieger, Lisa; lrieger@edu.aau.at

Der Begriff Copy-Text stammt aus der anglo-amerikanischen Textkritik und bezeichnet einen “aus verschiedenen Textfassungen nach jeweils festgelegten Kriterien erarbeiteten ‘idealen’ Text”. (Plachta 1997, S. 137) Der Terminus wurde 1904 von R. B. McKerrow geprägt und bezeichnete damals jenen Text, den er bei der Edition der Werke von Thomas Nashe (McKerrow 1904) als Basis für seinen Editionstext heranzog. 1939 schlug er zusätzlich die Anwendung der eklektischen Methode (das Hinzuziehen weiterer Überlieferungsträger) vor, um abgesehen vom Copy-Text zusätzliche möglichst autornahe Textstellen in den Editionstext aufnehmen zu können, (Baender 1969, S. 313) denn als beste Wahl für den Copy-Text galt lange der zeitlich gesehen autornächste Text. Basierend auf Verfahren der Textkritik unterschied Greg (1950, S. 21) bei Abweichungen zwischen Textquellen substantives und accidentals: Unter substantives verstand er jene Lesarten, die unmittelbar die Bedeutungsabsicht des Autors bzw. “the essence of his expression” betreffen, während er als accidentals die vorwiegend formale Präsentation des Texts in Form von Rechtschreibung u. Ä. zusammenfasste. Im Fall von accidentals solle dabei immer dem Copy-Text Vorrang gewährt werden, während substantives erst durch textkritische Methoden überprüft werden sollten. (Greg 1950, S. 26) Nach Gabler ergibt sich anhand von Gregs Prinzipien ein „kritisch-eklektischer Text als idealer Text von kumuliert größtmöglicher Nähe zur Autorniederschrift.“ (Gabler 2003, Abs. 10)

Während Greg seine Theorie auf gedruckte Bücher mit mehr als einer Fassung, deren Vorpublikationsformen verloren gegangen waren, beschränkte, befürwortete Bowers (1964, S. 226) die Ausweitung dieser Prinzipien auf den Fall von überlieferten Manuskripten. Baender wandte jedoch ein, dass zuvor überprüft werden müsse, ob und in welchem Ausmaß der Autor diese repräsentiert sehen wollte. Dementsprechend postulierte er folgende grundlegende Vorgehensweise: Bei Vorhandensein nur gedruckter Versionen sollte hinsichtlich der accidentals weiterhin die erste verlässliche Fassung als maßgebend gewertet sowie für substantives die eklektische Vorgehensweise angewandt werden. Bei der zusätzlichen Überlieferung von Manuskripten müssten jedoch Autoritätsentscheidungen auf individueller Basis getroffen werden. (Baender 1969, S. 315- 317)

Greetham (1990, S. 15) macht darauf aufmerksam, dass ab der Mitte der 80er-Jahre immer mehr Kritik an der Greg-Bowerschen Copy-Text-Methode aufkam – und verweist dabei v.a. auf Jerome J. McGann und Hershel Parker. Parker bezeichnete Greg’s Vorgehen dabei als zu streng und vertrat die Meinung, dass es die Aufgabe editorischen Arbeitens sei, sich nicht auf einen eklektischen Text zu beschränken, sondern in einer Edition auch die verschiedenen Schichten der Autorisation wiederzugeben. McGann begründete mit der Ablehnung des Autors als einzigen Maßstab für die Autorisation eines Werks die Theorie des social textual criticism, während sich Hans Walter Gabler in seiner synoptischen Edition von Ulysses an der genetisch ausgerichteten franco-germanischen Schule orientierte. (Ebd., S. 16–17) Durch diese Entwicklungen und weitere Forderungen nach einer soziohistorischen und liberalisierenden Öffnung des konservativen Denkens gegen Ende des 20. Jahrhunderts verlor die Copy-Text-Theorie ihr Monopol innerhalb der angloamerikanischen Buchwissenschaft und Textkritik. (Gabler 2003, Abs. 13)

The Meaning of Copy-Text Paul Baender Studies in Bibliography 22 311–318 1969 2020-01-23 https://www.jstor.org/stable/40371494?seq=1 Some Principles for Scholarly Editions of Nineteenth-Century American Authors Fredson Bowers Studies in Bibliography 17 223–228 1964 2021-01-21 https://www.jstor.org/stable/40372231?seq=1#metadata_info_tab_contents A1 - Angloamerikanische Editionswissenschaft Hans Walter Gabler Kompendium der Editionswissenschaft 2003 2020-01-23 http://www.edkomp.uni-muenchen.de/CD1/frame_edkomp_HWG.html The Rationale of Copy-Text W. W Greg Studies in Bibliography 3 19–36 1950 2020-01-23 http://www.jstor.org/stable/40381874 Politics and Ideology in Current Anglo-American Textual Scholarship https://doi.org/10.1515/9783110241952.1 David C Greetham Editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaften 1865-9446 Rüdiger Nutt-Kofoth Bodo Plachta 4 1-20 1990 2020-02-21 https://www.degruyter.com/view/j/edit.1990.4.issue-1/9783110241952.1/9783110241952.1.xml The Works of Thomas Nashe. Edited from the original texts Ronald Brunlees McKerrow London A. H. Bullen 1904 Editionswissenschaft. Eine Einführung in Methode und Praxis der Edition neuerer Texte Editionswissenschaft 3-15-017603-4 Bodo Plachta Reclam 1997
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