KONDE - Kompetenznetzwerk Digitale Edition

Weißbuch

Benutzerinnen und Benutzer Digitaler Editionen TEI Download PDF Download

Klug, Helmut W.; helmut.klug@uni-graz.at

Die Frage nach Benutzerinnen und Benutzern von Editionen, nach deren Vorbildung und Aufgaben sowie nach dem Wechselspiel zwischen Editor, Edition und Benutzerinnen und Benutzern nahm mit dem schwindenden Einfluss des Lachmannschen Editionsparadigmas zu: Was kann man Benutzerinnen und Benutzern zumuten, was voraussetzen, was sollen Editorin und Editor und Edition an Information und Hilfestellung anbieten?

So wird der Bezug zu Benutzerinnen und Benutzern u. a. auch in den DFG Förderkriterien für wissenschaftliche Editionen in der Literaturwissenschaft mehrmals angesprochen. Außer Frage steht aber, dass allein schon Textauswahl und die Wahl eines bestimmten Editionstypus die Benutzergruppe bestimmen: Während historisch-kritische oder textgenetische Editionen eher auf ein wissenschaftlich vor- und ausgebildetes Publikum ausgerichtet sind und dessen aktive Mitarbeit für eine Rezeption Voraussetzung ist, sollen zweisprachige Texteditionen oder Studienausgaben Schülerinnen und Schüler, Studierende oder ‘die interessierten Laien’ ansprechen, da sie eine erhöhte Benutzbarkeit bieten.

Die letztgenannte anonyme Gruppe möglicher Benutzerinnen und Benutzer wird in der Forschungsliteratur kontrovers diskutiert (vgl. Runow 2014, Henzel 2019), für die Digitale Edition, die in der Regel frei verfügbar im Internet publiziert wird, stellen Laiennutzer mitunter eine durchaus interessante Nutzergruppe dar, die vor allem im Zusammenhang mit den edierten Texten (Art der Texte, Inhalt der Texte etc.) zu- oder abnimmt.

Zusätzlich zu den bereits für die Buchedition diskutierten Hürden (Variantenapparat, textgenetische Informationen, editorische Eingriffe etc.) und Hilfsmitteln (Normalisierung, Kommentar, Übersetzung usw.) eröffnen sich für Benutzerinnen und Benutzer Digitaler Editionen durch das Medium Internet neue Probleme, aber auch neue Möglichkeiten der Rezeption. Zum einen ist der Umgang mit der Publikationsform Website im Vergleich mit der jahrhundertealten Buchtradition mitunter immer noch neu und ungewohnt, sodass das Auffinden von Informationen, das Lesen von Texten auf dem Bildschirm oder auch nur die Navigation durch die Seiten eine Herausforderung darstellen kann. Zum anderen setzt die Rezeption der neuen Publikationsform durchaus eine positive und aktive Herangehensweise der Benutzerinnen und Benutzer voraus. Generell sind Editorinnen und Editoren gefordert, die aktuellsten Erkenntnisse in Bezug auf ein benutzerfreundliches Webdesign umzusetzen; Designfragen müssen sich aber letztendlich auch für die Digitale Edition am gewählten Editonstypus und den damit assoziierten Benutzerinnen und Benutzern orientieren, da unterschiedliche Editionsformen unterschiedlich komplexe Umsetzung erfordern.

Fraglos überwiegen aber die Vorteile des digitalen Publizierens, da sich durch die digitale Umsetzung neue Möglichkeiten und Methoden ergeben, die Editionsdaten zu präsentieren: Das reicht von der Darstellung mehrfacher Textsynopsen über das Ein- und Ausblenden von Lesarten, textgenetischer oder normalisierender Textstufen bis hin zu komplexen Visualisierungen.

Gerade im Zusammenhang mit der Digitalen Edition werden Benutzerinnen und Benutzer (oder besser: Userinnen und User) noch viel zu wenig berücksichtigt! Es gibt aber bereits Überlegungen zu Fragebögen (Henzel 2019, S. 76–79) und Auswertungen von Umfragen (Porter 2013 und 2016, Caria/Mathiak 2018), die einen überfälligen Richtungswechsel andeuten.

Literatur:

  • Veit, Joachim. 2015. Musikedition 2.0: Das 'Aus' für den Edierten Notentext. In: editio 29, S. 70–84.
  • Runow, Holger. 2014. Wem nützt was? Mediävistische Editionen (auch) vom Nutzer aus gedacht. In: editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft 28, S. 50–57.
  • Henzel, Katrin. 2019. Digitale genetische Editionen aus der Nutzerperspektive. In: Textgenese in der digitalen Edition. Hrsg. von Anke Bosse und Walter Fanta. Berlin/Munich/Boston, S. 66–80.
  • DFG. 2015. Informationen für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen: Förderkriterien für wissenschaftliche Editionen in der Literaturwissenschaft. URL: https://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/grundlagen_dfg_foerderung/informationen_fachwissenschaften/geisteswissenschaften/foerderkriterien_editionen_literaturwissenschaft.pdf.
  • Bein, Thomas (Hrsg.). 2015. Vom Nutzen der Editionen. Zur Bedeutung moderner Editorik für die Erforschung von Literatur- und Kulturgeschichte. Berlin/Boston.
  • Hofmeister, Wernfried. 2014. Beim Vorwort genommen. Historisch-kritischer Blick auf explizite Nutzwert-Reflexionen in Vorworten und sonstigen Selbsterläuterungen altgermanistischer Textausgaben auf Basis eines Grazer editionswissenschaftlichen Seminars. In: Editio 28, S. 68–81.
  • Nutt-Kofoth, Rüdiger. 2000. Schreiben und Lesen. Für eine produktions- und rezeptionsorientierte Präsentation des Werktextes in der Edition. In: Text und Edition - Positionen und Perspektiven. Hrsg. von Rüdiger Nutt-Kofoth, Bodo Plachta, H.T.M. van Vliet und Hermann Zwerschina. Berlin, S. 165–202.
  • Porter, Dot. 2013. Medievalists and the Scholarly Digital Edition. In: Scholarly Editing: The Annual of the Association for Documentary Editing 34.
  • Porter, Dot. 2016. "What is an edition anyway?" My Keynote for the Digital Scholarly Editions as Interfaces conference, University of Graz "What is an edition anyway?. URL: http://www.dotporterdigital.org/what-is-an-edition-anyway-my-keynote-for-the-digital-scholarly-editions-as-interfaces-conference-university-of-graz/.
  • Caria, Federico; Mathiak, Brigitte. 2018. A Hybrid Focus Group for the Evaluation of Digital Scholarly Editions of Literary Authors. In: Digital Scholarly Editions as Interfaces 12. Hrsg. von Roman Bleier, Martina Bürgermeister, Helmut W. Klug, Frederike Neuber und Gerlinde Schneider. Norderstedt, S. 267–285.

Zitiervorschlag:

Klug, Helmut W. 2021. Benutzerinnen und Benutzer Digitaler Editionen. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.148. PID: o:konde.148