Rieger, Lisa; lrieger@edu.aau.at
Der Begriff Copy-Text stammt aus der anglo-amerikanischen Textkritik und
bezeichnet einen “aus verschiedenen Textfassungen nach jeweils festgelegten
Kriterien erarbeiteten ‘idealen’ Text”. (Plachta 1997, S. 137) Der
Terminus wurde 1904 von R. B. McKerrow geprägt und bezeichnete damals jenen Text,
den er bei der Edition der Werke von Thomas Nashe (McKerrow 1904) als
Basis für seinen Editionstext heranzog. 1939 schlug er zusätzlich die Anwendung
der eklektischen Methode (das Hinzuziehen weiterer Überlieferungsträger) vor, um
abgesehen vom Copy-Text zusätzliche möglichst autornahe Textstellen in den
Editionstext aufnehmen zu können, (Baender 1969, S. 313) denn als
beste Wahl für den Copy-Text galt lange der zeitlich gesehen autornächste Text.
Basierend auf Verfahren der [Textkritik](/o:konde.192) unterschied Greg (1950, S. 21) bei Abweichungen
zwischen Textquellen substantives und accidentals: Unter substantives verstand er jene
Lesarten, die unmittelbar die Bedeutungsabsicht des Autors bzw. “the essence of
his expression” betreffen, während er als accidentals die
vorwiegend formale Präsentation des Texts in Form von Rechtschreibung u. Ä.
zusammenfasste. Im Fall von accidentals solle dabei immer
dem Copy-Text Vorrang gewährt werden, während substantives
erst durch textkritische Methoden überprüft werden sollten. (Greg 1950, S.
26) Nach Gabler ergibt sich anhand von Gregs Prinzipien ein
„kritisch-eklektischer Text als idealer Text von kumuliert größtmöglicher Nähe zur
Autorniederschrift.“ (Gabler 2003, Abs. 10)
Während Greg seine Theorie auf gedruckte Bücher mit mehr als einer Fassung, deren
Vorpublikationsformen verloren gegangen waren, beschränkte, befürwortete Bowers
(1964, S. 226) die Ausweitung dieser Prinzipien auf den Fall von
überlieferten Manuskripten. Baender wandte jedoch ein, dass zuvor überprüft werden
müsse, ob und in welchem Ausmaß der Autor diese repräsentiert sehen wollte.
Dementsprechend postulierte er folgende grundlegende Vorgehensweise: Bei
Vorhandensein nur gedruckter Versionen sollte hinsichtlich der
accidentals weiterhin die erste verlässliche Fassung als maßgebend
gewertet sowie für substantives die eklektische
Vorgehensweise angewandt werden. Bei der zusätzlichen Überlieferung von
Manuskripten müssten jedoch Autoritätsentscheidungen auf individueller Basis
getroffen werden. (Baender 1969, S. 315- 317)
Greetham (1990, S. 15) macht darauf aufmerksam, dass ab der Mitte der
80er-Jahre immer mehr Kritik an der Greg-Bowerschen Copy-Text-Methode aufkam – und
verweist dabei v.a. auf Jerome J. McGann und Hershel Parker. Parker bezeichnete
Greg’s Vorgehen dabei als zu streng und vertrat die Meinung, dass es die Aufgabe
editorischen Arbeitens sei, sich nicht auf einen eklektischen Text zu beschränken,
sondern in einer Edition auch die verschiedenen Schichten der Autorisation
wiederzugeben. McGann begründete mit der Ablehnung des Autors als einzigen Maßstab
für die Autorisation eines Werks die Theorie des social textual
criticism, während sich Hans Walter Gabler in seiner [synoptischen](/o:konde.174) Edition von Ulysses an der [genetisch](/o:konde.28)
ausgerichteten franco-germanischen Schule orientierte. (Ebd., S.
16–17) Durch diese Entwicklungen und weitere Forderungen nach einer
soziohistorischen und liberalisierenden Öffnung des konservativen Denkens gegen
Ende des 20. Jahrhunderts verlor die Copy-Text-Theorie ihr Monopol innerhalb der
angloamerikanischen Buchwissenschaft und [Textkritik](/o:konde.192). (Gabler 2003, Abs. 13)
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Editionswissenschaft. Eine Einführung in Methode und
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Editionswissenschaft
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Bodo
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[Textkritik](/o:konde.192)
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[genetische Edition](/o:konde.90)
-
[Textgenese](/o:konde.28)
- Digitale Editionswissenschaft
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[Lexicon of Scholarly Editing](https://lexiconse.uantwerpen.be/index.php/lexicon/copy-text/)